Die wenigsten Menschen können mit dem mennonitischen Glauben etwas anfangen. Dabei hat die liberale Religionsgemeinschaft in Krefeld lange Tradition. Pfarrer Christoph Wiebe führt am Samstag auf den Spuren der Mennoniten durch die Stadt. Das Schicksal der Mennoniten ist nicht nur überaus interessant und bewegend, sondern es lässt sich auch auf die Gegenwart beziehen. Noch heute werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Kultur oder Religion verachtet, ausgegrenzt und verfolgt. Mit unserer Arbeit wollten wir Licht ins Dunkel bringen und die Vergangenheit der Mennoniten aufdecken, gleichzeitig wollen wir aber auch ein Zeichen für Toleranz in der heutigen Zeit setzen. In jedem Fall haben wir viel Wissenswertes und Spannendes erfahren können. Mennoniten haben lange Tradition in Krefeld. Trotzdem wissen wohl die Wenigsten, wofür die Religionsgemeinschaft, deren mitgliederstärkste Gemeinde in Deutschland mit 650 Gläubigen die in Krefeld ist, steht. Das zu ändern ist eines der Ziele des mennonitischen Pfarrers Christoph Wiebe. Er bietet auch deshalb am Samstag (6. Juli) eine Führung durch die Stadt an, in der er insgesamt 13 Stationen im Innenstadtbereich ansteuert und ihre Bedeutung für die Gemeinde erläutert. Dabei geht er besonders auf drei historische Schwerpunkte ein: die Bedeutung der Nähe zu den Niederlanden, die Stadterweiterung und die religiösen Gruppen in der Stadt. „Diese Dinge wirken zusammen und führen dazu, dass sich die Mennoniten in großer Zahl in Krefeld angesiedelt haben“, erläutert Wiebe. Doch was ist der mennonitische Glaube eigentlich? Rund 5000 Anhänger hat er in Deutschland. Damit lebt rund jeder achte deutsche Mennonit in und um Krefeld. Trotzdem ist die Dichte vergleichsweise gering. „Durch die geringe Zahl der Gläubigen haben wir wenige Gemeinden. Die von hier aus nächsten sind Bielefeld, Gronau und Neuwied“, sagt Wiebe. „Die resultierende Größe des Einzugsgebiets macht es für Gläubige schwierig.“ Die machen aus der Not eine Tugend und nehmen das Gemeindeleben in eigene Hände. Neben den Veranstaltungen in der Kirche an der Königstraße gibt es oft sogenannte Häuserkreise. Stadtspaziergang zur Mennoniten-Geschichte Der Spaziergang beginnt am Samstag (6. Juli) um 11 Uhr. Treffpunkt ist der Platz vor der Mennonitenkirche an der König­straße 132. Die geplante Dauer ist etwa zweieinhalb Stunden. Dabei werden 13 Stationen im Innenstadtbereich angesteuert. Eine Anmeldung im Gemeindebüro bis zum Freitagmittag unter der Rufnummer 02151 658390 ist erforderlich. Bei den Gemeindeveranstaltungen sind auch Nicht-Mitglieder willkommen. Das gilt ausdrücklich sogar für ausgewiesene Atheisten. „Was ist Atheismus? Am Ende glaubt jeder Mensch an irgend etwas. Gott ist ein Wort, das wir mit Inhalt füllen müssen. Das muss meiner Ansicht nach jeder für sich tun. Etwas Übergeordnetes sehen wir alle. Unter dem Strich geht es aber darum, selbst ein gelingendes Leben zu führen und seinen Weg zu finden“, sagt der Pfarrer. Eine versöhnende Botschaft, die die Kraft hat, nicht nur Religionen, sondern alle Menschen zu einen. Mennoniten sind eine der liberalsten Spielarten des christlichen Glaubens. „Wir sind seinerzeit in der Reformation entstanden und leben unseren Glauben sehr selbstbestimmt“, erzählt Wiebe. „Es gibt bei uns keine Landeskirche. Wir treffen unsere Entscheidungen in der Gemeinde. Darum gibt es auch ganz unterschiedliche Gemeinden, von eher konservativen bis zu sehr liberalen“, erzählt er. Wo Krefeld auf dieser Skala zu finden ist? „Ganz am äußeren liberalen Ende. Wir sind nicht nur räumlich den Niederlanden sehr nahe. Dort ist es traditionell sehr liberal“, erläutert der Pfarrer. Die geringe Mitgliederzahl bringt in dieser Hinsicht auch große Vorteile. „Wir müssen nicht, wie die großen Kirchen, allgemeingültige Regeln schaffen. Wir können nach dem Einzelfall entscheiden und dann auch persönliche Schicksale einbeziehen“, sagt Wiebe. Das gelte zum Beispiel bei theologisch schwierigen Fragen wie Abtreibung, Homosexualität, Transsexualität nebst Geschlechtsumwandlung oder Scheidung. Die Freiheitsgrade gelten auch für ihn selbst. „Die Regularien sehen vor, dass ich das Amt gut repräsentieren muss. Wie ich das gestalte, das muss ich selbst mit mir und meinem Glauben ausmachen“, erläutert er. Es gebe weder Kleidervorschriften noch Zölibat oder andere generelle Lebensvorschriften. Das nutzt der promovierte protestantische Theologe – mennonitische Theologie wird in Deutschland nicht als Studium angeboten – allerdings nicht über Gebühr aus. Er strahlt Würde und Zuverlässigkeit aus. Gottesdienste gibt es nur zwei im Monat sowie an protestantischen Feiertagen. Wiebe feiert aber auch solche in Hagen, Düsseldorf, Bonn. Nicht nur für Gemeindemitglieder, auch für ihn sind die Wege lang. Die nimmt er gern in Kauf. Hin und wieder zu Fuß, wie beim Stadtspaziergang, bei dem er den Krefeldern mehr über seine Gemeinde und deren Historie erzählen möchte. Geschichte aus Krefeld : Isacks op den Graeff zog es nach Amerika Modell eines Denkmals für die nach Nordamerika ausgewanderten Familien aus Krefeld. Foto: Stadt Krefeld Wenn in den Vereinigten Staaten von Amerika die Rede auf die „Original 13“ kommt, sind damit jene 13 Familien gemeint, die 1683 aus Krefeld als erste organisierte Gruppe aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nach Nordamerika ausgewandert sind. Es waren vor allem Mennoniten, die zum Quäkertum konvertierten. Zu ihnen zählte auch der vor 370 Jahren geborene Abraham Isacks op den Graeff. Der Leinenweber gehörte zu den Initiatoren des ersten Protestes gegen die Sklaverei in Nordamerika. Die Auswanderungsgruppe setzte sich in erster Linie aus Leinewebern zusammen, sie sich zuvor dem Quäkertum angeschlossen hatten. Dazu kamen mennonitische Kaufleute. Ein Land ohne Repressalien, wo sie ihren Glauben frei leben können – dieses Versprechen brachte der Theologe Franz Daniel Pastorius im April 1683 den Mennoniten und Quäkern nach Krefeld. In Frankfurt und Köln hatte er schon für eine neue Kolonie in Nordamerika geworben, die der Quäkermissionar William Penn gegründet und Pennsylvania genannt hatte. Nach 49 Tagen auf See erreichten sie die amerikanische Küste. Am 6. Oktober gelangte die Gruppe an ihr Ziel, die Stadt Philadelphia im heutigen US-Bundesstaat Pennsylvania. In der Nähe gründeten die Krefelder am 26. Oktober Germantown unter der Führung von Franz Daniel Pastorius. Info Eine Straße erinnert an Franz Daniel Pastorius Thomas Kunders Haus war übrigens das letzte erhaltene Siedlerhaus in Germantown und wurde 1979 für einen Parkplatz abgerissen. An Franz Daniel Pastorius, der am 27. September 1719 in Germantown starb, erinnert heute eine Straße in Linn. Abraham Isacks op den Graeff starb am 25. März 1731. Auf ihrem Weg nach Pennsylvania 1683 erlebten die 13 Familien aus Krefeld kommend bereits in Rotterdam zum ersten Mal den Sklavenhandel. Sie hörten in der niederländischen Hafenstadt auch grausame Geschichten von der Verschleppung der Menschen aus Afrika in die Neue Welt. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie im Land der Bruderliebe Sklaven besitzen könnten. Diese Eindrücke blieben bei ihnen in Erinnerung als sie am Delaware ankamen. Die Realität an der Ostküste im 17. Jahrhundert sah jedoch anders aus: Puritaner und Quäker, die sonst für die allgemeinen Menschenrechte eintraten, hatten keine Probleme mit dem Menschenhandel und hielten diesen nicht für Unrecht. Aus den Reihen der Krefelder Siedler waren es wohl Quäker, die den Anstoß für eine Ablehnung der Sklaverei gaben. Am 18. April 1688 wurde im Haus des Krefelders Thones Kunders dieser erste öffentliche Protest gegen die Sklaverei in Amerika formuliert. Es richtete sich an die Monatsversammlung der Quäker und beinhaltete zwar keinen allgemeinen Protest gegen die Sklavenhaltung, jedoch adressierten sie ihn an ihre Glaubensbrüder, die Sklaven besaßen und handelten. Der Schreiber, so lässt es jedenfalls die Handschrift vermuten, war Franz Daniel Pastorius, auf den offenbar auch die Formulierung zurückgeht. Unterschrieben ist es in der Reihenfolge von Gerrit Hendricks, Derijck op den Graeff (Krefeld), Franz Daniel Pastorius und Abraham op den Graeff (Krefeld). Hendricks war ein Quäker aus Kriegsheim, der 1685 nach Germantown kam. Das Protestschreiben richtete sich direkt an die Quäker. In diesem steht unter anderem: „Gibt es irgendjemand, der zufrieden wäre, wenn ihm so geschähe oder wenn man ihn so behandele, nämlich ihn verkaufte und für seine Lebzeit zum Sklaven machte? […] Sie sind schwarz, aber wir begreifen nicht, wie dies ein besseres Recht gibt, sie zu Sklaven zu machen, als weiße zu halten. Es ist uns gesagt, wir sollen allen Menschen tun, wie wir wünschen, dass uns selbst geschehe; kein Unterschied darf gemacht werden mit Rücksicht auf Nation, Abstammung und Farbe. […] Aber dagegen, dass man Menschen hierher bringt, sie raubt und gegen ihren Willen verkauft, erheben wir Einspruch! In Europa müssen viele Unterdrückungen erleiden, des Gewissens halber; hier unterdrückt man Menschen von schwarzer Hautfarbe. […] Es bringt euch in schlimmen Ruf, wenn man in Europa erzählt, dass die Quäker hier mit Menschen verfahren, wie man dort mit dem Vieh verfährt. […] Findet ihr, das es in Ordnung ist, die Schwarzen auf diese Weise zu behandeln, so bitten und ersuchen wir euch hiermit in aller Liebe, uns zu belehren (was bisher nie geschehen ist), das nämlich Christen die Befugnis haben, so zu verfahren, auf dass wir über diesen Punkt beruhigt werden und unsere Freunde und Bekannten in unserem Geburtsland beruhigen. Jetzt ist es für uns hier einschrecklicher Gedanke, dass man in Pennsylvanien Menschen auf diese Weise knechtet.“ Folgen hatte dieser Protest nicht. Es mussten noch fast zwei Jahrhunderte vergehen ehe sich an der „Sklavenhaltung“ in den USA etwas änderte. Die Unterzeichner im Haus des Krefelder Kunders hatten 1688 zumindest eine Vision, einen Traum von einem anderen Miteinander in der Neuen Welt. Die Mennoniten wurden wenige Jahre nach ihrer Gründung zu Reichsfeinden erklärt, am 4. Januar 1528 wurde ein kaiserliches Mandat erlassen, das die Mitgliedschaft bei den Mennoniten mit der Todesstrafe belegte. Trotzdem verbreiteten sich ihre Lehren innerhalb weniger Jahre bis nach Gladbach und sogar bis in die Niederlande. Einer der größten Unterschiede zum evangelischen und katholischen Christentum war die Ablehnung der Kindertaufe, die durch die Erwachsenentaufe ersetzt wurde. wegen ihrer Erfolge in der Textilindustrie vorläufig geduldet. Ihr Lebensstil war unauffällig. Sie waren sehr fleißige und regelmäßige Steuerzahler. Dies stellte sie vorläufig gut mit den Behörden. Sie trugen maßgeblich zur Blüte der Textilindustrie in Gladbach bei. Doch auch hier war ihre Existenz äußerst unsicher. Ein weiterer Erlass führte dazu, dass ein Exempel an dem bedeutenden Mennoniten "Vit to Pilgram" statuiert wurde: Er wurde auf dem Alten Markt verbrannt. Quelle: https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/krefeld-abraham-isacks-op-den-graeff-wanderte-nach-amerika-aus_aid-38244203

• cogito, ergo sum
• Geburtstag 2022
• Crefeld & Krefeld
Fritz Huhnen
Ein Toter hing am...
Synagoge
Varus aus Krefeld
Dionysius-Turmhaube
Dionysius-Wetterhahn
Separatisten Krefeld
Publikationen
2019-19 Haus Oetker
mennoniten
Mennoniten
• Besondere Tage
• Fotosafari
• Adventkalender
• Mein Nest im Turm
• bekebo-Art
Impressum


Kennen wir uns schon?
Herzlich Willkommen!

Aktualisiert im Februar 2023 | crefelder-geschichte[aet]t-online.de