Oktober 1923

Separatisten stürmten das Krefelder Rathaus

 

Krefelder Aufständische riefen die „Rheinische Republik“ aus.

Sie dauerte allerdings nur 14 Tage.

 

 

 

Separatisten im Oktober 1923 - ©Rheinische Republik wiki

 

„Hoch die Rheinische Republik“, dröhnt es aus zahlreichen Kehlen der Krefelder Separatisten. In den Abendstunden des 23. Oktober 1923 ziehen sie ihre Waffen. Mit Hurra-Rufen greifen sie das Rathaus an. Die Verteidiger um Oberbürgermeister Dr. Johann Johansen schießen vom Balkon auf die Gegner, der erste Angriff fällt rasch in sich zusammen. Doch es ist nur der Auftakt eines blutigen Kampfes. „Nun begann ein Feuersturm von allen Seiten. Unaufhörlich krachten die Schüsse hüben und drüben. Die Rathausfenster waren bald zerschossen“, heißt es in einem Augenzeugenbericht in der „Heimat“ aus dem Jahr 1926 - mit Sandsäcken und Stacheldraht ließ Johansen am 22. Oktober die Polizisten zusammenziehen. Zugänge zu Westwall, Weststraße und zur Lutherischen Kirchstraße wurden versperrt.

 

 

Das Hauptquartier der Separatisten befand sich in der Gastwirtschaft „Heidelberger Fass“, Ecke Dreikönigen-/Luisenstraße. Die hiesigen Hauptakteure waren ein Polizeisekretär namens Krahe, der Fass-Wirt und Boxer Weiß sowie der Techniker Ruzki aus Oppum. Die „Heimat“ beschreibt die Aufständischen wie folgt: „Wirrköpfe sind’s und Schwätzer im günstigsten Fall, Deklassierte und Schieber, arme Gesellen, darunter ganz unzweideutiges Verbrechergesindel“.

 

   

Historisches Foto um die Jahrhundertwende 1900

 

Separatistenbewegung Foto vom 25. Oktober 1923

 

Die Aktivitäten der Separatisten, die auch Sonderbündler genannt wurden, begannen in Krefeld merklich erst im August 1923 mit den Hungerunruhen auf dem Friedrichplatz auch eine erste Demonstration. Bis dahin führten sie eher ein „Stammtisch-Dasein“. In Fischeln existierte wohl eine größere Gruppe, die auch Umzüge organisierte. Die belgischen Besatzer duldeten die Kundgebungen und Veröffentlichungen. Die Zahl der Separatisten kann mit rund 1500 aus Krefeld und dem Umland zum Anfang November 1923 nur geschätzt werden.

 

 

 

In der Nacht auf Dienstag forderte das Führungstrio im Rathaus vom Oberbürgermeister die Übergabe, aber Dr. Johansen lehnte ab. Darauf erklärte Krahe, er bedauere das nun unvermeidbare Blutvergießen. Um 21 Uhr eröffneten die Separatisten das Feuer. Die Kämpfe dauerten einige Tage an. Ein halbes Dutzend Separatisten und die Polizisten August Schneider und Hermann Josef Lenssen kamen dabei ums Leben, zahlreiche Menschen wurden verletzt. Nachdem den Verteidigern die Munition fast ausgegangen war, blieb ihnen nur die Übergabe übrig. Die letzte verzweifelte Bitte Johansens an die Belgier, sie mögen helfen, lehnten diese ab.

 

   
 

 

 

   

 

 

Das Kampfzimmer im Rathaus

Neben einer großen Blutlache zeigt das Bild des französischen Fotografen Frédéric Gadmer eine Polizeimütze und einen Dienstrevolver nach dem Sturm der Separatisten auf das Rathaus in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober 1923

 

Blut, Mütze und Waffe gehörten dem in Weimar geborenen Polizeioberkommissar August Schneider (55), der in dieser Nacht von Separatisten angeschossen wurde. Schwer verwundet sollte er in einem Rettungswagen in ein Hospital gebracht werden. Unterwegs wurde Schneider durch weitere Schüsse so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag.

 

Der Polizei-Betriebsassistent Hermann Josef Lenssen, starb in dieser Nacht im Rathaus im Alter von 35 Jahren durch einen Kopfschuss. An beide Polizeibeamte erinnern heute die gleichnamigen Straßen nahe dem Rathaus. Auf Seiten der Aufständischen wurden sechs Tote und viele Verletzte gezählt. Wie die „Krefelder Zeitung“ vom 24. Oktober berichtet, wurde auf der Breiten Straße auch ein zehnjähriger Junge von einer verirrten Kugel getroffen und getötet. Das betreffende Zeitungsexemplar kostete damals übrigens 90 Millionen Mark.

 

 

Absperrungen an der Gartenstrasse

 

Die Separatisten zogen ins Rathaus ein, hissten ihre grün-weiß-rote Fahne und riefen die „Rheinische Republik“ aus. Im Rathaus hatten sich 200 Stadt- und Polizeibeamte verschanzt. Auch die umliegenden Straßen waren verbarrikadiert. Die Verteidiger hatten 19 000 Schuss Munition gebunkert. Als am nächsten Morgen nur noch 2000 Patronen von dem Vorrat übrig waren, beschloss die Besatzung unter Oberbürgermeister Johannes Johansen die Kapitulation. Es schloss sich eine 14-tägige Herrschaft der Separatisten an, die geprägt war von willkürlichen Beschlagnahmen, Anarchie und Gewalt. Die belgische Besatzungsmacht, die sich in den stürmischen Tagen auffällig zurückhaltend verhielt, machte ihm letztlich ein Ende. Im Stadtrat wurde der Aufstand von allen damaligen Fraktionen einmütig verurteilt. 

 

 

 

Während der 14 Tage waren die Aufständigen für die öffentliche Ordnung verantwortlich, die alte Verwaltung arbeitete weiter. Neu wurde das Kohlenamt und einer Stelle für öffentliche Volksspeisung. Der Aufbau der öffentlichen Sicherheit misslang, weil die meisten vorgeschlagenen republikanischen Polizisten Vorbestrafte waren. In der Stadt herrschte eher Chaos und Willkür: Die Aufständischen beschlagnahmten fremdes Eigentum, Lebensmittel und plünderten Banken. Die Bevölkerung zeigte sich wenig oder gar nicht begeistert. Die Menschen hatten eher alltägliche Sorgen. Das Ende der „Rheinischen Republik“ in Krefeld zeichnete sich schon nach wenigen Tagen mit dem Abzug der meisten auswärtigen Separatisten ab. Am 8. November endete in Krefeld die Republik. Die Aufständischen verließen das Rathaus — die Belgier entwaffneten sie.

 

Die Polizisten Hermann Josef Lenssen und

August Schneider hatten ihr Leben verloren.

 

* 28.10.1869 † 25.10.1923 August Adalbert Schneider wurde am 28.10.1869 in Weimar geboren. Er war seit 1904 im aktiven Polizeidienst als Leiter der Hansa-Wache in Krefeld tätig. Am 23.10.1923 belagerten die Separatisten das Krefelder Rathaus, das von der Polizei verteidigt wurde. Beim Sturm der Separatisten auf das Rathaus kam es zu schweren Feuergefechten, bei denen Polizeioberkommissar Schneider, der das Kommando über die Verteidiger des Rathauses führte, durch einen Armschuss verletzt wurde. Er sollte daraufhin in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Separatisten stoppten den Krankenwagen, zerrten August Schneider aus dem Wagen und verletzten ihn ein weiteres Mal durch mehrere Schüsse, u.a. durch einen Bauchschuss. Polizeioberkommissar Schneider starb am 25.10.1923 an den Folgen der erlittenen Schussverletzungen. Ehrengrab: Hauptfriedhof (neuer Teil), Feld 4, Nr. 505/506

 

Erinnerungen: Schneiderstrasse und Lenssenstrasse

 

 

 

 

Quellen:

Die Fotos gehören teilweise zum Archiv des „Musée Albert-Khan – Département des Hauts-de-Seine“

https://fellowprimo.com/archives-of-the-planet-germany-krefeld/

 

https://www.wz.de/nrw/krefeld/oktober-1923-separatisten-stuermten-rathaus_aid-29806165

https://www.wz.de/nrw/krefeld/kultur/bilder-belegen-blutigen-rathaussturm-im-jahr-1923_aid-28045373

 

https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/wie-ein-junge-das-schicksaljahr-1923-erlebte_aid-18561623

 

 

 

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